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30.01.22 –
In einem offenen Brief fordern Selbständige und Unternehmer*innen aus der Stadt und der Region Trier dazu auf, Pandemie bedingte Einschränkungen aufzuheben und zu einer Normalität der Vorcoronazeit zurückzukehren.
Hintergrund ist die ohne Zweifel schwierige, wirtschaftliche und/oder personelle Situation vieler Einzelhandels- und Gastronomiebetriebe.
Die Unterzeichner*innen betonen zwar, dass sie sich von radikalen Leugner*innen der COVID-Erkrankungen distanzieren; umso unverständlicher ist es, dass sie genau deren Argumentationslinien übernehmen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass in den Foren von Querdenker*innen, Verschwörungsgläubigen und Coronaleugner*innen der offene Brief zustimmend geteilt wird.
So wird im Brief gefordert:
„Rückgabe der Eigenverantwortung“
Die Eigenverantwortung wurde den Bürger*innen nie genommen. Vielmehr sehen wir einen Rückgang der Gesamtverantwortung eines Teils der Bürgerschaft gegenüber der Gesellschaft. Warum fordern die Unterzeichnenden des Briefes zum Beispiel an keiner Stelle auf, sich impfen zu lassen, als wichtiger Teil der Eigenverantwortung?
„Gestaltungsfreiheit und Mitbestimmung statt Einschränkungen und Verbote“
Das hört sich gut an, ist aber in der Konsequenz unverantwortlich. Wie soll in einer krisenhaften Situation mit 117.000 Toten, Millionen Erkrankten, mit der Gefahr von chaotischen Verhältnissen in Krankenhäusern und Betrieben auf eine staatliche Regulierung verzichtet werden können? Natürlich schienen Maßnahmen auf Bundes-, Landesund Kommunalebene oft widersprüchlich und wurden schlecht vermittelt. Schnelle und oft kurzfristig kommunizierte Änderungen der Vorgaben erschwerten Betrieben eine kontinuierliche Arbeit. Auch wir Grünen sahen und sehen diese Probleme. Aber: dieses Problem lässt sich nicht durch Individualisierung lösen.
„… Offenheit und Respekt gegenüber allen Bürgern und die politische Unterstützung bei der Beendigung der Spaltung der Gesellschaft“
Ein größer werdender Teil von Rechtsradikalen, Verschwörungstheoretiker*innen und Antidemokrat*innen versucht in einer verunsicherten Gesellschaft politischen Einfluss zu gewinnen. Die Aufgabe des demokratisch gesinnten Bürgertums ist es, diesen Einfluss mit großem Engagement zurück zu drängen und nicht mit „Offenheit und Respekt“ zu begegnen. Die Unterzeichnenden nehmen für sich in Anspruch, „Trier zu einer attraktiven, beliebten und lebenswerten Stadt“ gemacht zu haben. Warum helfen sie dann dabei – wenn vielleicht auch ungewollt und unbedacht – den Antidemokrat*innen auf Triers Straßen den Weg zu ebnen?
Die Mechanismen der Entdemokratisierung, die von Verschwörungstheoretiker*innen und Antidemokrat*innen eingesetzt werden, sind subtil. Einzelne Aussagen mögen zustimmungsfähig erscheinen, gerade vor dem Hintergrund der Ungewissheit einer pandemischen Situation, die für uns alle Neuland ist. Umso wichtiger ist eine Einordnung von Aussagen in den GesamtZusammenhang, das kritische Nachfragen. Wer sagt was wann zu welchem Zweck? Zentrale Akteur*innen der Trierer Bewegung der Antidemokrat*innen befinden sich unter den Initiator*innen und Unterzeichnenden des Offenen Briefes. Nicht allen Unterzeichnenden mag dies bewusst gewesen sein, als sie um Unterzeichnung gebeten wurden. Umso wichtiger ist es uns, ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen. Denn noch ist es nicht zu spät, Antidemokrat*innen, Antisemit*innen, Fremdenfeindlichen zu zeigen: Trier ist bunt, nicht braun – und wird es auch bleiben.
Eine klare Kante der Trierer Geschäftswelt gegen antidemokratische Umtriebe – wie es in anderen Städten geschehen ist – wäre wünschenswert und ist schon lange überfällig.
Kategorie
Demokratie/Teilhabe | Gesundheit | Rathauszeitung | Stadtratsfraktion | Stadtverband
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