Stadtrat 06.04.17: Antwort zur Dringlichkeitsanfrage Genehmigung des Haushalts 2017/2018 durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier

Mit Bescheid vom 15.März 2017 hat die ADD den Haushalt der Stadt Trier vorbehaltlich der Erfüllung mehrerer Auflagen genehmigt. Gegen diesen Bescheid kann nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Vor diesem Hintergrund stellen wir folgende Fragen: 1. Welche Konsequenzen könnte die ADD ziehen, wenn Stadtvorstand oder Stadtrat sich nicht in der Lage sehen, eine der Auflagen zu erfüllen?

06.04.17 –

 

 

 

1. Welche Konsequenzen könnte die ADD ziehen, wenn Stadtvorstand oder Stadtrat sich nicht in der Lage sehen, eine der Auflagen zu erfüllen?

 

Wie Ihnen bekannt ist, hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) mit Schreiben vom 15.03.2017 das Gesamtergebnis der aufsichtsbehördlichen Prüfung des städtischen Haushalts mitgeteilt.

Dabei handelt es sich einerseits um ein Prüfverfahren nach § 97 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (GemO) in Bezug auf die gesamte Haushaltssatzung inklusive dem Haushaltsplan und seinen Anlagen.

Andererseits bedarf die Haushaltssatzung der Stadt Trier für das Haushaltsjahr 2017 und 2018 nach § 97 Abs. 1 Satz 1 GemO i. V. m. § 95 Abs. 4 GemO der Genehmigung der Aufsichtsbehörde in Bezug auf die Summe der Verpflichtungsermächtigungen, für die in den künftigen Haushaltsjahren voraussichtlich Investitionskredite aufgenommen werden müssen und den Gesamtbetrag der Investitionskredite ohne zinslose Kredite und Kredite zur Umschuldung.

Zusammenfassend ergeben sich somit eine Vielzahl von (Einzel-) Entscheidungen der Aufsichtsbehörde, welche durch das selbige Wort (am Ende der ersten Seite) auch ausdrücklich so formuliert ist. Vor diesem Hintergrund sind die einzelnen Entscheidungen der ADD – aufgelistet in den Ziffern 1. bis 9. – auch jeweils für sich unter rechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten.

Die Entscheidung unter Ziffer 1. ist entgegen der Fragestellung keine Auflage im Sinne des § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), sondern vielmehr eine aufsichtsbehördliche Beanstandung gemäß § 121 GemO und hat für sich gesehen den Charakter eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 35 VwVfG. Die Beanstandung erfolgte unter Fristsetzung inzident im Rahmen des Haushaltsvollzugs – de facto somit bis zum Ende des Haushaltsjahres am 31.12.2017. D. h. so lange das von der Aufsichtsbehörde angeordnete Ausführungsverbot beachtet wird – beispielsweise durch eine Bewirtschaftungsrestriktion nach § 101 GemO durch den Oberbürgermeister oder durch eine Nachtragshaushaltssatzung – ist die Beanstandung beachtet.

Die Entscheidungen der ADD unter den Ziffern 2. und 3. stellen jeweils für sich eine Versagung der Genehmigung, soweit dies den Investitionskreditbedarf über 10 Millionen Euro betrifft, dar. Auch diese Entscheidungen stellen jeweils für sich gesehen einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG dar.

Die Entscheidungen im Übrigen – konkret die Ziffern 4 bis 9 – sind aufsichtsbehördliche Entscheidungen im Rahmen der allgemeinen Rechtsaufsicht und regeln insbesondere Maßnahmen im konkreten Haushaltsvollzug.

Unterstellt, die nachgefragten Konsequenzen beziehen sich auf die Ziffer 1., kann allgemein ausgeführt werden, dass die aufsichtsbehördlichen Maßnahmen des 6. Kapitels der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz, insbesondere die Maßnahmen der §§ 120 ff GemO, so genannte Repressivmittel sind und in der Reihenfolge im Gesetzeskontext grundsätzlich auch eine Rangfolge darstellen. Da auch hier der verfassungsmäßige Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stets zu beachten ist, muss zunächst das mildere Mittel erfolglos angewendet werden, bevor stärker in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingegriffen werden darf. Die der Aufsichtsbehörde bei Nichtbefolgung der Beanstandung zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten richten sich nach §§ 122 ff GemO, d. h. sie kann anordnen, dass die erforderlichen Maßnahmen veranlasst werden (§ 122 GemO), selbst Beschlüsse und Maßnahmen der Stadt aufheben oder aber selbst die erforderlichen Maßnahmen treffen (§ 123 GemO). Die Maßnahmen nach §§ 124 und 125 GemO dürften dabei eher theoretisch zum Tragen kommen.

 

 

2.1. Gibt es im vorbezeichneten Bescheid Auflagen, deren Erfüllung bzw. Nichterfüllung Auswirkungen auf die Beteiligung der Stadt Trier am Kommunalen Entschuldungsfond (KEF) haben? 

2.2. Wenn ja, welche Auflage sind dies und mit welcher Konsequenz?

 

Wie bereits im Rahmen der Antwort zur Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.02.2017 ausgeführt, ist der jährliche „Erfolg“ der Stadt Trier im Rahmen des Kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz (KEF-RP) auf der Basis des Vertrages vom 20.11.2012 festzustellen. Dies erfolgt zunächst auf der Basis des vereinbarten so genannten Konsolidierungspfades der Stadt Trier im KEF-RP, 2012 bis 2026.

 

Da die Stadt Trier diesen „Erfolg“ regelmäßig nicht erreicht, ist unter Zugrundelegung der Ausnahmeregelung im § 2 Abs. 3 Satz 2 des KEF-Vertrages der „Erfolg“ über eine Fiktion herzuleiten. Danach gilt der „Erfolg“ als gegeben, wenn:

·        sowohl der vereinbarte Konsolidierungsbeitrag im Rahmen des KEF-RP erbracht

·        als auch die Konsolidierungsforderungen der Aufsichtsbehörde im Rahmen der allgemeinen Haushaltsaufsicht

erfüllt werden.

Unter dieser Prämisse hat die Beachtung der aufsichtsbehördlichen Maßgaben im Rahmen der allgemeinen Haushaltsaufsicht, und natürlich insbesondere die unter Ziffer 1. ausgesprochene Beanstandung, eine elementare Bedeutung für den jährlichen „Erfolg“ des Jahreszuwendungsverfahrens zum KEF-RP und damit über die Netto-Zuweisung von jährlich 8.787.475 Euro (Brutto-Effekt: 13.181.213 Euro/Jahr).

Vorsorglich darf darauf hingewiesen werden, dass die ursprüngliche Bindungswirkung für die Stadt Trier sich bereits aus dem erwähnten KEF-Vertrag ergibt, welcher in Folge des Beschlusses des Stadtrates zur Drucksache 301/2012 mit dem Land Rheinland-Pfalz vereinbart wurde. Dieser KEF-Vertrag beinhaltet ein Entschuldungspaket in Höhe von brutto 197,7 Millionen Euro bzw. netto 131,8 Millionen Euro für die Stadt Trier bis zum Jahre 2026.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass Verstöße gegen den KEF-Vertrag nach § 4 des Vertrages selbst zu werten sind und zu einer Kündigung und ggf. Rückforderung führen können.

 

 

3.1. Teilt der Stadtvorstand die Auffassung, dass das verfassungsmäßige Recht der kommunalen Selbstverwaltung einen finanziellen Mindestspielraum für die Wahrnehmung der „Freiwilliger Aufgaben“ vorschreibt?

 

Ja, der Stadtvorstand teilt diese Auffassung und weist in diesem Zusammenhang auch auf Ministerratsbeschuss vom 24.10.1995 – so genannter „Zuber-Erlass“ (siehe Haushaltsrundschreiben 1996 vom 27.10.1995, das Ihnen auch vorliegt) – hin, der genau diesen Anspruch so bestätigt.

 

 

3.2. Teilt der Stadtvorstand die Auffassung, dass eine finanzielle Deckelung der „Freiwilligen Aufgaben“ auf einen gleichbleibend festen Betrag bei insgesamt steigenden Einnahmen und Ausgaben irgendwann zu dem in Frage 3.1. beschriebenen verfassungswidrigen Zustand einer Unterschreitung des Mindestmaßes für  die Wahrnehmung „Freiwilliger Aufgaben“ führt? 

 

Ja, der Stadtvorstand teilt diese Auffassung unter der Annahme, dass eine „Deckelung“ der Freiwilligen Aufgaben besteht.

Der Stadtvorstand weist jedoch darauf hin, dass eine „Deckelung“ nicht existiert, da jede strukturelle Einnahme-Verbesserung im Bereich der allgemeinen Deckungsmittel grundsätzlich geeignet ist, einen „eingefrorenen Saldo“ im Sinne einer Anhebung zu verändern.

Die Entscheidung hierüber liegt in der Zuständigkeit der Stadt Trier im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung.

 

 

4. Teilt der Stadtvorstand die Auffassung, dass das verfassungsmäßig gewährleistete Recht der kommunalen Selbstverwaltung ein im Verhältnis zum Haushaltsrecht höherrangiges Recht darstellt?

 

Kurz gesagt kann der Stadtvorstand dieser Auffassung folgen, da sich das „einfachgesetzlich“ geregelte Haushaltsrecht im Rahmen der Normenpyramide eindeutig unter dem in der Verfassung verankerten Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung präsentiert. Dennoch ist der Blick sehr viel differenzierter auf die Rechtslage zu werfen.

Die kommunale Selbstverwaltung ist in Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) bzw. dem Artikel 49 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz (LV) verankert und stellt übereinstimmend eine Garantie dar. Diese Garantie ist insbesondere als Institution „kommunale Selbstverwaltung“ zu definieren und in einen Kernbereich (= absoluter Schutz) und einen Außenbereich (relativer Schutz) zu differenzieren.

Aus der Stellung als institutionelle Garantie folgt, dass in geschützte Garantiebereiche (= Inhalt der kommunalen Selbstverwaltung) soweit der Außenbereich betroffen ist, nur unter bestimmten Voraussetzungen eingegriffen werden darf (= relativer Schutz). Eingriffe in den Kernbereich jedoch sind absolut unzulässig (= absoluter Schutz).

Geschützte Garantiebereiche sind dabei die Einrichtungsgarantie und Gebietshoheit, die Aufgabengarantie und die Eigenverantwortlichkeit. Die Eigenverantwortlichkeit kann durch die fünf Hoheitsprinzipien Organisationshoheit, Abgabenhoheit, Finanzhoheit, Planungshoheit und Satzungshoheit definiert werden. Insbesondere die Finanzhoheit ist dabei geprägt von der eigenverantwortlichen Ausgaben-, Kredit- und Rücklagenwirtschaft sowie einem Anspruch auf kommunalen Finanzausgleich.

Insofern kann als Zwischenfazit festgehalten werden, dass das Haushaltsrecht dem Grunde nach auf die Finanzhoheit der Stadt Trier zurückgeht und insofern auch aus dem Selbstverständnis heraus aus dem kommunalen Selbstverwaltungsanspruch ableitbar ist.

Die eingangs gemachten Ausführungen zum Kernbereich (= absoluter Schutz) und Außenbereich (relativer Schutz) machen jedoch auch deutlich, dass Eingriffe in den Außenbereich unter bestimmten Voraussetzungen möglich sind. Die Voraussetzungen sind dabei durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes (im Sinne formelle Voraussetzung) und Gründe des Gemeinwohls (materielle Voraussetzung). Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall der Auslegung bedarf.

Ob und inwieweit hier noch ein zulässiger Eingriff in den relativen Schutz des Außenbereichs vorliegt oder ob es ein unzulässiger Eingriff in den absoluten Schutz des Kernbereichs darstellt, bedarf einer differenzierten Betrachtung.

 

 

5.1. Welche haushaltsrechtlichen Wirkungen hätte die isolierte Anfechtung einer der im vorbezeichneten Bescheid beschriebenen Auflagen?

 

Wie bereits bei Frage 1 ausgeführt, ist hier zwischen den Einzelentscheidungen der ADD zu differenzieren.

Die Versagung der Genehmigungen, soweit dies den Investitionskreditbedarf über 10 Millionen Euro betrifft (Ziffer 2. und 3.) sollte im Rahmen eines isolierten Rechtsbehelfs in Form eines Verpflichtungswiderspruchs gemäß § 68 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO möglich sein. Hierbei gilt es aber auch zu beachten, dass die Aufsichtsbehörde selbst die Möglichkeit der Nachgenehmigung angeboten hat (Seite 13 des Schreibens der ADD vom 15.03.2017).

Eine isolierte Anfechtung der aufsichtsbehördlichen Beanstandung zur Ziffer 1. wäre nach diesseitig vertretener Auffassung grundsätzlich möglich. Zwar hätten sowohl der Widerspruch als auch die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO. Dieser Umstand würde jedoch in der Sache nicht weiterhelfen, da die Aufsichtsbehörde hier jederzeit die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO anordnen könnte und vermutlich auch würde, so dass sich in haushalterischer Sicht hier keine weiteren Spielräume eröffnen. Dennoch könnte der Haushalt veröffentlicht werden.

Anders nach der von der ADD vorläufig vertretenen Auffassung, hätte die Beanstandung ein Ausfertigungshemmnis zur Folge, welche den Oberbürgermeister an der Inkraftsetzung der Haushaltssatzung der Stadt Trier für die Haushaltsjahre 2017 und 2018 hindern würde. Die Haushaltswirtschaft wäre somit – im Falle einer Anfechtung – auf der Basis der Vorschriften über die vorläufige Haushaltsführung nach § 99 GemO fortzusetzen.

 


 

 

5.2. Würde dies auch dann gelten, wenn die Stadt Trier die angefochtene Auflage erfüllt und dennoch ein Widerspruchs- oder Klageverfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Auflage führt?

 

Nach diesseitiger Auffassung wäre, nach Maßgabe der Ausführungen unter Ziffer 5.1, der Widerspruch – auch mit der Erklärung, die Beanstandung umzusetzen  – grundsätzlich möglich. Dies birgt jedoch aus unserer Sicht eine hohe Gefahr für die Erfüllung der Voraussetzungen des KEF. Dies resultiert daraus, dass trotz einer Erklärung seitens der Stadt, der Beanstandung Folge zu leisten, keineswegs gesichert ist, dass dies auch umgesetzt werden kann. Für den Fall, dass dies nicht möglich ist besteht die Gefahr, dass das Verfahren dann zu unserem Nachteil ausgelegt wird.

 

 

5.3. Unter der Voraussetzung, dass die Stadt Trier die Auflage erfüllt: Besteht die Möglichkeit, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, die Auflage im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage anzufechten?

 

Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage richtet sich nach § 113 Abs.1 Satz 4 VwGO und ist ggfls. in analoger bzw. doppelt analoger Anwendung auch für Nebenbestimmungen und Verpflichtungssituationen anwendbar. Aufgrund der Subsidiarität dieses Rechtsbehelfs gegenüber den Gestaltungsklagen (Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage) kommt sie – verkürzt dargestellt – nur dann zum Tragen, wenn entweder eine zulässig eingelegte Anfechtungsklage aufgrund zwischenzeitlicher Erledigung nicht mehr zum Erfolg führen würde oder aber der betreffende Verwaltungsakt bzw. die Nebenbestimmung sich noch innerhalb der Widerspruchsfrist bzw. Klagefrist erledigen würde und somit keine Anfechtungsklage mehr erhoben werden könnte. Hier läge der Fall aber so, dass die Anfechtungsklage noch erhoben werden könnte. Gegen einen bestandskräftigen Verwaltungsakt kann dementsprechend keine Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben werden (so Bundesverwaltungsgericht vom 14. 7. 1999).

 

Anders läge der Fall dann, wenn sich die Beanstandung nach Erhebung des Anfechtungswiderspruchs bzw. der Klage, etwa durch Zeitablauf infolge Ablauf des Haushaltsjahres, erledigen würde. Für diesen Fall würden wir die Umstellung der Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage mit dem erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse „Wiederholungsgefahr“ als zulässig erachten.

 

 

 

 

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