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17.08.20 –
Gedanken unserer Direktkandidatin Anja Reinermann-Matatko, Schulentwicklungsplanerin, zu unserem Bildungssystem. Nicht nur, aber besonders in Corona-Zeiten:
Die Schulschließung aufgrund der Corora-Auflagen war zunächst eine Schutzmaßnahme für uns alle. Niemand konnte genau wissen, wie das Virus sich verbreitet und ob durch den Präsenzunterricht eine Verbreitung der Erkrankung stattgefunden hätte, die durch die Präventionsmaßnahme zu verhindern gewesen ist.
Aufgrund der kurzen Vorlaufzeit mussten die Schulen sehr schnell entscheiden, wie sie mit der neuen Situation, dem Homeschooling, umgehen. Übergangslösungen wurden eingerichtet, die mit den technischen Ausstattungen und auch dem Know-How der Lehrkräfte vereinbar waren. Aber es war nicht nur eine Woche, in der kein Präsenzunterricht mehr stattfand: mehrere Wochen lang gab es keinen face to face Kontakt zwischen Lehrkräften und den Schüler*innen. An manchen Schulen wurden in dieser Zeit die Beschulungskonzepte weiterentwickelt. Das Land hat eine Plattform bereit gestellt, um den digitalen Unterricht unter Berücksichtigung des Datenschutzes durchführen zu können. Wie genau der Unterricht stattgefunden hat, war stark abhängig von der konkreten Schule und der einzelnen Lehrkraft. Und dadurch verschärfte sich ein Problem, das aufgrund des Wegfalls des Präsenzunterrichts ohnehin schlimm genug ist: die Bildungsungerechtigkeit. Kinder, deren Eltern höhere akademische Abschlüsse und keine Sprachbarrieren haben, konnten von ihren Eltern in der Homeschooling-Zeit Unterstützung erhalten. Aber was ist mit denen, deren Eltern es entweder aufgrund von Sprachbarrieren oder aufgrund fehlender eigener schulischer Bildung schlichtweg nicht möglich war, die Kinder genauso zu unterstützen? Oft sind es Kinder die sonst einen Hort oder eine Ganztagsschule besuchen und dadurch eine Unterstützung erfahren, die ihnen zu Hause nicht geboten werden kann. Viele Jugendhilfeeinrichtungen haben sich bemüht, die zu befürchtenden Benachteiligungen auszugleichen. Ein Tropfen auf den heißen Stein, da es sich nur um einen Bruchteil der Förderung handelt, die ansonsten stattgefunden hat.
Was ich vermisse, sind klare Vorgaben vom Land. Wie soll der Unterricht stattfinden? Wie soll Bildungsgerechtigkeit geschaffen werden? Den Schulen ist nun unter Corona-Auflagen wieder vieles freigestellt. Ja, selbständige Schulen sind wichtig. Aber die Corona-Situation scheint mir für die Einzelschulen zu schwierig zu lösen zu sein. Eltern haben unterschiedliche Einstellungen, Lehrer*innen ebenfalls. Bei der Frage, wie viel Nähe darf sein, wieviel Abstand muss sein, gehen die Meinungen weit auseinander. Vom Land erwarte ich konkrete Aussagen dazu, was unter welchen räumlichen Voraussetzungen stattfinden darf. Und ganz wichtig: Wenn es in Präsenz nicht möglich ist, welche digitalen Wege sind dann zu gehen? Das Lehrpersonal muss fortgebildet werden. Verpflichtend, für alle. Die technischen Voraussetzungen müssen vorhanden sein. Überall. Der Wohnort darf nicht entscheidend dafür sein, ob digitales Lernen stattfinden kann.
Ich wünsche mir ein Schulsystem, in dem die Frage, ob ein Kind mitgenommen oder abgehängt wird nicht von den Fähigkeiten und dem Engagement einzelner Lehrkräfte abhängig ist. Jedem Kind müssen alle Bildungswege offenstehen. Die Spaltung, die bereits in der Grundschule stattfindet, ist alles andere als Chancengleichheit. Corona hat gezeigt, dass wir von der Chancengleichheit sehr weit entfernt sind. Und kann zugleich die Chance sein endlich neue Wege zu gehen und für einen grundlegenden Systemwechsel zu sorgen.
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