Haushaltsrede 2021 von Dr. Anja Reinermann-Matatko

22.03.21 –

Stadtratsitzung 22.03.2021

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren des Stadtvorstands,

sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, insbesondere diejenigen, die an dieser Haushaltsaufstellung beteiligt waren,

liebe Ratskolleg*innen der demokratischen Fraktionen, 

 

 

was wir heute hier zu beschließen haben, ist ein Corona-Haushalt. Er wurde später beraten als geplant, weil uns Corona dazwischenkam und die komplette Zeitachse einmal durcheinandergewirbelt hat durch all die Ungewissheiten, die aufgrund der Pandemie auch auf den Haushalt Auswirkungen haben.

Es ist ein Haushalt, der aufgrund der Vorlaufzeit, die es noch brauchen wird bis zur Genehmigung durch die ADD eine sehr, sehr kurze Laufzeit haben wird. Wenn wir optimistisch sind, dann sind es vielleicht noch 6 Monate. Deshalb haben auch wir als größte Fraktion eingewilligt, darauf zu vertrauen, dass unsere Verwaltung die Mittel in diesem kleinen Corona-Haushalt optimal einstellt.

Bei der Aufstellung hat sich gezeigt, dass gerade im Bereich wichtiger Investitionen eine erhebliche Mangelwirtschaft besteht, weil selbst bei Projekten, bei denen wir uns alle einig waren, dass sie wichtig sind, noch darüber diskutiert werden musste, welche Projekte denn in der Prioritätenliste weiter oben sind und welche noch lange warten müssen.

 

Dieser Haushalt steht deshalb sinnbildlich für das Erleben der Corona-Pandemie: Wir sind froh darüber, dass es überhaupt vorangeht.

 

Das zentrale Problem an diesem Haushalt wie auch an allen Kommunalhaushalten davor ist die finanzielle Ausstattung der Kommunen. Zum zweiten Mal wurde nun per Gericht festgestellt, dass das Land Rheinland-Pfalz den Kommunen zu wenig Finanzmittel zur Bewältigung der Aufgaben zur Verfügung stellt.

Seit Jahren können alle Redner*innen in diesem Rat die Reden der Vorjahre kopieren. Denn das strukturelle Problem ist bekannt, es ist nichts Neues. Und es wurde bislang von Seiten der Landesregierung nicht behoben. Und ja, da müssen auch wir Grüne uns an die eigene Nase fassen, auch wenn wir nicht die Mehrheit der Landesregierung gestellt haben. Wir dürfen vor Ort die Förderbescheide nicht mehr als gnadenvolles Almosen des Landes feiern, sondern sollten es als selbstverständlich ansehen, dass diese Mittel auch in unsere Stadt fließen. Um Gestaltungsfreiheit vor Ort zu haben, wäre es jedoch viel wichtiger, nicht projektbezogene Förderbescheide zu erhalten und zu bejubeln, sondern die finanzielle Grundausstattung der Kommunen – und unserer Kommune – anzuheben.

 

Die ADD fordert, den Haushalt so aufzustellen, dass auch ja kein Cent zu viel eingeplant wird; Nachtragshaushalt heißt das neue Credo. Ein Nachtragshaushalt reagiert jedoch nur auf Ereignisse, die nicht zum Zeitpunkt der Haushaltseinbringung planbar waren. Ein Nachtragshaushalt ist kein Instrument der Gestaltung, sondern – und das zeigen die wenigen Diskussionen, die wir immer bei der Einbringung eines Nachtragshaushalts führen – er ist ein rein formales Instrument, bei dem der Rat nicht die Richtung vorgibt, sondern den Entwicklungen hinterher trippelt.

 

Und bald schon stehen die nächsten Haushaltsberatungen an, dann wieder als Doppel-Haushalt, und aufgrund der neuen (und wohl auch alten) Landesregierung dann hoffentlich mit der Lösung des strukturellen Problems der finanziellen Ausstattung der Kommunen und daraus resultierender Gestaltungsfreiheit auf der kommunalen Ebene.

 

Es gibt viele zentrale Herausforderungen der kommenden Jahre, die wir leider mit dem aktuell zu beschließenden Haushalt nicht lösen werden – und da hoffen wir auf den nächsten Haushalt:

 

  • Klimakrise: DerWeg zu einer CO2-neutralen Stadt Trier erfordert ganz neue Strukturen in der Verwaltung, projektbezogenes ämterübergreifendes Arbeiten und die Hinterfragung jedes einzelnen Projekts auf seine CO2-Neutralität.
  • Mobilitätssektor: Wir diskutieren seit Jahren, dass unsere Stadtwerke zu einer Mobilitätsdienstleisterin umgebaut werden müssen. Und wir optimieren hier und da auf kommunaler Seite und versuchen, ein bisschen an den Planungen herumzudoktern und zu schieben. Aber das reicht nicht aus. Wir müssen grundsätzlich hin zu einer Umverteilung des Stadtraums.
  • Inklusion: Trier hat einen sehr aktiven Beirat für Menschen mit Behinderungen – vielen Dank allen, die sich da einbringen. Wir unterstützen die Forderung des Beirats nach einer Koordinierungsstelle für die inklusive Gestaltung unserer Stadt. Das Thema erfordert viel Weitblick und umsichtiges Planen von Details. Man muss genau hinschauen, um nicht im wahrsten Sinne des Wortes Stolperstellen zu bauen. Die Koordinierungsstelle könnte Ämter dabei unterstützen, Planungen so anzupassen, dass wir im Ergebnis eine inklusive Stadt werden, eine Stadt für Alle.
  • Bildung: Unsere Schullandschaft lebt nun seit Jahren von einem weiter so – und unsere Schulgebäude leider auch. Corona hat Schwachstellen aufgezeigt, deren Aufarbeiten wird uns noch viele Jahre beanspruchen. Umso wichtiger ist es, dass wir nun im Nachgang nicht einfach nur das Versäumte mit Pflaster überkleben, sondern für die Zukunft die richtigen Weichen stellen für eine moderne, digitale Pädagogik, die alle mitnimmt. Die Schere zwischen arm und reich geht weiter auseinander in unserem Land und in unserer Stadt. Wir müssen vor Ort alle Weichen im Bildungssektor so stellen, dass sich zumindest die nachfolgenden Generationen unabhängig vom Wohlstand der Elternhäuser frei entwickeln können.

 

Große inhaltliche Aufgaben – wie ich sie gerade skizziert habe – erfordern auch ein Umdenken auf Verwaltungsebene:

 

  • Unsere Verwaltung wurde auf Antrag von der – damals noch – UBM und CDU und auch der ADD zuliebe von 1 Oberbürgermeister*in plus 4 Dezernate auf 1 OB plus 3 Dezernate gestutzt. Damals gab es kein Corona, Digitalisierung hätte es geben sollen, fand aber nicht statt. Und der Gedanke, irgendwo noch ein paar Tausend Euro einsparen zu können, dominierte alles. Und auch wir Grüne haben damals lange diskutiert, insbesondere wegen der Bedenken, dass der Stellenwert der Kultur geringer wird – und letztlich dann zugestimmt.
  • Nun hat sich inzwischen gezeigt: Wir haben so viele Baustellen – und das nicht nur im übertragenen Sinne … – dass es gar nicht möglich ist, alles zu erledigen, unabhängig von der finanziellen Ausstattung unserer Kommune. Uns fehlt es an ganz entscheidenden Stellen am Overhead, der koordiniert und Weichen stellt. Aus allen Dezernaten wird der Ruf an die Fraktionen herangetragen, Anträge und Anfragen sollten nur sehr sparsam gestellt werden. Die Verwaltung sei überlastet. Wir sehen die Überlastung im Stadtvorstand, bei dem letztlich alles zusammenläuft: sowohl die Ratsinitiativen, als auch das übliche operative Geschäft der Verwaltung.
  • Unser Lösungsansatz: Der Überlastung der Dezernate durch Neustrukturierung entgegenwirken. Laut Gemeindeordnung dürfte eine Stadt in der Größenordnung von Trier 1 OB plus 6 Dezernate haben. Davon sind wir weit entfernt. Wir Grüne stellen uns nicht vor, dass wir als Stadt Trier an dieses Maximum herangehen werden. Aber wir fordern eine Struktur, die die richtungsweisenden Beschlüsse, die dieser Stadtrat gefasst hat – insbesondere den mit breiter Mehrheit gefassten Beschluss zum Klimanotstand – auch umsetzen kann. Wir sehen dies in der bisherigen Struktur nicht gewährleistet. Leider. Aber gerade das Klima macht schnelles Handeln erforderlich.
    Wir dürfen als Stadt nicht nur reagieren und verwalten, wir müssen wieder gestalten. Daher erwarten wir im kommenden Haushalt eine deutliche Schwerpunktsetzung hin zu einem nachhaltigen Trier. Der Aktionsplan Entwicklungspolitik und die Projekte, die im Arbeitskreis Klima Umwelt Energie bearbeitet werden, liefern gute Ansatzpunkte. Wir müssen als Stadt mutiger werden, uns abschauen, was andernorts im Bereich Klima, Energie und Mobilität bereits realisiert wird.

 

Unser Fazit zu diesem Corona-Haushalt: Die Grüne Fraktion stimmt zu, nicht, weil er richtungsweisend ist, sondern weil er notwendig ist. Für den kommenden Haushalt erwarten wir entscheidende richtungsweisende Schritte, die die Themen in den Vordergrund stellen, zu denen der Rat sich selbst und unsere Verwaltung verpflichtet hat. Der Rat beschließt die Vorgaben, die Verwaltung setzt um – wir erwarten, dass diese Aufgabenteilung bei der Aufstellung des Doppel-Haushalts 2022/2023 von Anfang an Berücksichtigung findet und wir den Klimaschutz im nächsten Haushaltsentwurf nicht mit der Lupe suchen müssen.

 

Ihnen, Herrn Oberbürgermeister Leibe, wünschen wir ein glückliches Händchen bei der Genehmigung dieses Corona-Haushalts, damit in den verbleibenden Monaten zumindest ein paar der dringend anstehenden Aufgaben überhaupt noch bearbeitet werden können und wir als Stadt nicht wie ein Eisklotz darauf warten müssen, bis die über allem schwebende ADD endlich die Haushaltsgenehmigung erteilt.

Wir hoffen wirklich sehr, dass das diesmal zügig gelingen kann mit der Haushaltsgenehmigung, damit es bei einigen Projekten noch ein kleines Stückchen vorangehen kann, bevor wir in den nächsten Haushalt einsteigen.

 

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

 

Anja Reinermann-Matatko

Fraktionsvorsitzende

 

Kategorie

Rathauszeitung | Reden | Stadtratsfraktion

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