Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Dr. Anja Reinermann-Matatko zu TOP Anpassung des Dezernatsverteilungsplans in Folge der Etablierung des Dezernates V; Stadtrat 09.06.2021

09.06.21 –

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Mitbürger*innen,

liebe Kolleg*innen der demokratischen Ratsfraktionen,

 

vorab einige Worte an Sie, Herr Oberbürgermeister: Sie haben mit der Vorlage den Wunsch einer Mehrheit des Rates umgesetzt. Es ist kein Vorschlag, der wie andere Verwaltungsvorlagen aus der Verwaltung heraus entstanden ist. Dies möchte ich ausdrücklich betonen, auch Ihre Bereitschaft,

sich auf andere Optionen einzulassen, wenn sich denn eine Mehrheit des Rates ausdrücklich hinter einen Vorschlag stellt. Wir möchten uns bei Ihnen für diese Offenheit bedanken und klarstellen, dass unsere Kritik sich an diejenigen richtet, die den Inhalt dieser Vorlage so gemacht haben, wie er nun heute vor uns liegt. Das sind nicht Sie.

Als wir den Antrag zur Erweiterung des Stadtvorstands um ein Dezernat eingebracht haben, da haben wir dies mit einem klaren Ziel getan: die Einrichtung eines Umweltdezernats. Dies vor dem Hintergrund, dass seit Jahren das Thema Umwelt in unserer Stadt unter den Tisch fällt. Ein paar

konkrete Beispiele:

  • das Einrichten einer Querung unseres Hauptbahnhofs für Fuß und Rad dauert nun schon Jahrzehnte
  • der Feldweg an der Härenwies wird illegal als Schleichweg genutzt, mies für zu Fuß gehende, tödlich für die Amphibien. Stringentes Verwaltungshandeln im Sinne der Umwelt? Fehlanzeige.
  • Klima-Auswirkungen bei Ratsbeschlüssen berücksichtigen? Es dauert, es dauert. Wir testen. Und derweil stimmt der Rat einfach allen Vorlagen zu, auch den extrem klimaschädlichen. Warum auch nicht, dass es klimaschädlich ist – und der Rat damit gegen den eigenen Klimanotstands-Beschluss handelt – steht ja nirgends.
  • Baumfällungen. Das Thema Baumschutzsatzung wird ebenfalls seit Jahrzehnten eingefordert, und obwohl wir alle sehen können, wie es dem alten und wertvollen Baumbestand in unserer Stadt ergeht, ist diese Stadt nicht in der Lage, endlich das passende Instrument dafür zu erlassen.
  • Nachhaltiges, autofreies Wohnen: Burgunderviertel und der Bereich rund um den Hauptbahnhof zeigen, wie weit wir von zukunftsweisendem Denken entfernt sind, dass andernorts längst zum Standard geworden ist.

Was ist geschehen, seit dem mit breiter Mehrheit vom Rat gefassten Beschluss zur Einrichtung eines fünften Dezernats? Wir haben Gespräche geführt, mit allen demokratischen Fraktionen. Dabei gab es einige Punkte, in denen wir einen Konsens gesehen haben und die sich nicht widersprechen. Zukunftsaufgaben stärken – ganz zentral dabei Umwelt und Digitalisierung. Und die bestehenden Dezernate und damit die einzelnen Mitglieder des Stadtvorstands entlasten. Dies ist auch der Grund unserer Zustimmung zum Nachtragshaushalt. Wir halten nach wie vor die Entscheidung für ein fünftes Dezernat für richtig und wichtig.

Und was ist das Ergebnis zur neuen Aufgabenverteilung? Das kleine lokale Abbild der Berliner GroKo hat sich geeinigt. Auf die Zustimmung zu einer Dezernatsverteilung, die alles andere ist als zukunftsweisend. Das wichtige Thema Umwelt wird weiterhin nicht mit politischer, fachlicher und personeller Verantwortung einem Dezernat zugeordnet, sondern auf alle Köpfe verteilt.

Projektmanagement und Steuerung liegen beim Oberbürgermeister. Da fragen wir uns: das hätte man doch auch bei den bereits vorhandenen Dezernatsstrukturen längst genauso einführen können.

Dafür braucht es keinen Ratsbeschluss. Die Umweltthemen in den Steuerungsausschuss? Ich sehe sie schon kommen, die fachlichen Diskussionen. „Ironie off“ würde man in Sozialen Medien an dieser Stelle tippen, damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Der Klimaschutz, die Umweltthemen, die Zukunft unserer Kinder – sie sind es wert, denselben Stellenwert zu erhalten wie die anderen Themen unserer Stadt. Ja, es sind Querschnittsaufgaben. Aber das sind viele andere Aufgaben auch.

Dennoch wird die Zuständigkeit der anderen Aufgaben ganz klar verortet. Und das ist auch richtig so. Es muss Menschen geben, die den Hut aufsetzen, die Verantwortung übernehmen, die Strategien entwickeln und den Weg dorthin begleiten. Nicht nebenbei, nicht neben einem bislang bereits mit vielen Aufgaben gefüllten Dezernat – und das ist das Dezernat I, weshalb in der Vergangenheit auch ganz bewusst Aufgaben anderen Dezernaten zugewiesen wurden.

Doch nicht nur das Umweltthema geht unter. Wir sehen auch das Auseinanderreißen der Themen, die für unsere Innenstadtentwicklung wichtig sind, als äußerst riskant an: Kultur, Tourismus, Innenstadt, Einzelhandel, Wirtschaftsförderung. Sie gehören zusammen, und die Erweiterung um ein Dezernat bietet die Chance, genau dies zu tun. Eine Einheit zu bilden. Reibungsverluste zu minimieren. Die Stadt voran zu bringen. Aber was machen wir stattdessen? Wir – bzw. wir nicht, sondern Sie, die diesem Vorschlag zustimmen – zerstückeln diese wichtigen Themen auf möglichst viele Köpfe. Warum? Damit die auserkorenen Dezernenten alle etwas von diesem Kuchen abbekommen? Wir haben viele Konditor*innen in unserer Stadt. Jede*r einzelne backt bessere Kuchen als dieses kurzsichtige Stückwerk.

Dem Antrag auf Einrichtung eines fünften Dezernats lag eine klare Zielsetzung zugrunde. Wir hätten diesen Antrag nicht gestellt, wenn das heute zu beschließende Resultat damals bekannt gewesen wäre. Wir wollen, dass Ressourcen unserer Stadt sinnvoll eingesetzt werden. Wir wollen, dass wir Zukunftsaufgaben endlich den Stellenwert einräumen, den sie andernorts längst haben. Wir wollen nicht länger hinterherhinken und uns dann feiern, weil es gelungen ist, Geranien in die Stadt zu stellen. Eine Maßnahme zur Verschönerung des Stadtbilds, ja. Aber eine Maßnahme für den Klimaschutz? Wo bleibt denn ein Dezernent, eine Dezernentin, der oder die an dieser Stelle aufschreit und einfordert, dass die Verschönerungsaktion nicht als Alibi für Klimaaktivitäten herhalten darf? Ich höre diese Stimme nicht, weil es diese Stimme in Trier nicht gibt. Weil wir kein Umweltdezernat haben. Der Einzelhandelsdezernent ist zufrieden, sind ja hübsch, die Blumen. Die Wirtschaftsförderung auch, lockt sicher hier und da ein paar Euros mehr in die City.

Die Mehrheit wird dieser Kompromiss heute wohl erhalten. In Zukunft gibt es dann bei Klimaschutz-Themen kein „hier ist nicht der richtige Ort“, „jetzt ist nicht die richtige Zeit“, „wir sind nicht zuständig“ mehr. Wir werden weiterhin die Klimaschutz-Themen in unserer Stadt voranbringen und Mehrheiten wie auch zu Beginn dieser Wahlperiode versprochen mit allen demokratischen Fraktionen suchen. Wir als Fraktion, und unsere Partei insgesamt, hat sich gegen ein festes Bündnis im Rat der Stadt Trier ausgesprochen, da wir angesichts des letzten Wahlergebnisses ein solches nicht angemessen finden. Die Bürger*innen haben uns zur stärksten Fraktion gemacht, aber kein eindeutiges Votum für ein Bündnis welcher Art auch immer gegeben.

Genau so sind wir auch in die Gespräche gegangen und haben darauf vertraut, dass auch die zweit- und drittgrößte Fraktion diesen Weg gemeinsam mit uns gehen. Auch wenn dies nun nicht erfolgt ist, geben wir die Hoffnung nicht auf. Die Zeit wird zeigen, ob diese Aufgabenverteilung den großen Aufgaben wirklich angemessen ist. Wir alle werden sehen, wann es zu den nächsten Verschiebungen in diesem Organigramm kommt. Wir vertrauen in unseren Oberbürgermeister, diese Schritte zu gehen, wenn sich zeigt, dass die nun angestrebte Struktur nicht halten kann, was in Aussicht gestellt wird.

Gerne hätten wir heute bei jeder Abstimmung mit JA gestimmt. Aber wir würden denjenigen, die uns bei der letzten Wahl ihre Stimme, ihr Vertrauen geschenkt haben, nicht gerecht, wenn wir einer Aufgabenverteilung zustimmen, die unser wichtigstes Anliegen – ein Umweltdezernat für Trier – nur am Rande berücksichtigt.

 

Dr. Anja Reinermann-Matatko

Fraktionsvorsitzende

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Reden | Stadtratsfraktion

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