Bei dieser schweren Abwägung kommen wir Antragsteller*innen zu dem Ergebnis, dass uns das Wohlbefinden der Opfer in diesem Fall wichtiger ist

06.07.23 –

Rede von Johannes Wiegel, unserem Sprecher für Religion, Gesellschaft und Brauchtum, in der Stadtratssitzung am 5. Juli 2023 zum Änderungsantrag einiger Stadtratsmitglieder zur städtischen Vorlage „Umbenennung Bischof-Stein-Platz“:

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Liebe Demokrat*innen hier im Sitzungssaal und zu Hause an den Bildschirmen,

eine Vorbemerkung: Ich spreche im Folgenden für die Gruppe der Antragsteller*innen des Änderungsantrags. Dieser Änderungsantrag wurde nicht von meiner Fraktion gestellt, und es wird bei der anschließenden Abstimmung auch ein variierendes Abstimmungsverhalten geben.

Und noch eine Ankündigung: Wir mussten den zweiten Punkt unseres Antrags aus formalen Gründen zurückziehen. Haben ihn aber bereits als eigenständigen Antrag für die nächste Sitzung angemeldet.

Jetzt aber: Zur Sache.

Wieso kommt heute eine Gruppe Ratsmitglieder hier her und macht bei der Umbenennung des ehem. Bischof-Stein-Platzes so ein Fass auf, geht mit den Ortsbeiräten in den Clinch und verhindert zu später Stunde der Tagesordnung, dass die Sitzung entspannt zu Ende geht?

Nun – zunächst einmal ist aus unserer Sicht ist die Sorge der Opfer, bei einer Rückbenennung zum ‚Status quo ante‘ könnte die Geschichte des Platzes und damit das Leid der Opfer schnell in Vergessenheit geraten, sehr nachvollziehbar. Es geht hier ja eben nicht nur darum, dass es einfach zwei unterschiedliche Namensvorschläge gibt, sondern man muss sehen, dass einer der Vorschläge eben eine Rückbenennung zum ursprünglichen Namen von vor 2010 ist. Das wirkt – mindestens für die Opfer – wie ein Versuch, die Zeit dazwischen unsichtbar machen zu wollen. Wäre der Vorschlag aus dem OBR ein anderer Name gewesen, der vielleicht auch nicht dem Vorschlag MissBiTs entsprochen, aber eben auch nicht die einzig konkrete Forderung der Opfer „keine Rückbenennung“ widersprochen, hätte – glaube ich – es heute keine kontroverse Abstimmung gebraucht.

Uns ist völlig klar, dass wir mit der Entscheidung nicht dem Vorschlag der Mehrheit des Ortsbeirates zu folgen, für Irritation, Enttäuschung und Wut sorgen. Das tut uns leid und fällt keinem von uns leicht. Wir verstehen, dass Ortsbeiräte es gewohnt sind, über die Namen von Straßen und Plätzen in ihrem Bezirk selbst zu entscheiden und keine Einmischung durch den Stadtrat zu kennen. Denn im Normalfall ist das auch so. Und wir haben überhaupt kein Interesse daran, dieses Recht den Ortsbeiräten zu entziehen.

Abseits dieses üblichen Verfahrens ist es aber auch möglich, dass der Stadtrat diese Entscheidungen an sich ziehen darf, natürlich nur unter besonderen Voraussetzungen (gesamtstädtisches Interesse) und im konkreten Einzelfall. Ein solches Verfahren wurde mit der Verwaltungsvorlage im Februar für den Bischof-Stein-Platz vom Rat beschlossen. Bereits damals war also klar, dass in diesem Fall der Stadtrat den Namen beschließt.

Man wollte den Ortsbeirat Mitte/Gartenfeld jedoch bewusst nicht ganz außen vor lassen und hat daher auch beschlossen, dass der Ortsbeirat dem Stadtrat einen Vorschlag vorlegen soll.

Aber eben einen Vorschlag, nicht die endgültige Entscheidung.

Man darf schließlich auch nicht die Entwicklung außer Acht lassen, die zur Umbenennung geführt hat.
Wir erinnern uns alle daran, dass die Forderung der Opfer im Stadtrat mehrmals abgelehnt und erst nach dem Bericht der Unabhängigen Aufarbeitungskommission beschlossen wurde.

Als dieser Beschluss erfolgt haben alle demokratischen Fraktionen den Opfern gegenüber ihr Bedauern geäußert, dass es so lange brauchte und angekündigt, künftig besser auf die Forderungen von Betroffenen zu hören. Auch aus diesem Grund wäre es aus unserer Sicht ein fatales Zeichen, den klaren Wunsch der Opfer (erneut) zu ignorieren.

Zusammenfassend: Als Ratsmitglieder stehen wir also vor der Situation, dass zwei Namensvorschläge an uns herangetragen wurden. Der eine stammt von den gewählten Vertreter*innen des Ortsbeirates, der andere von Menschen, die Opfer geworden sind. Es fällt ungeheuer schwer, aber einer dieser Gruppen wird man bei der Entscheidung weh tun müssen. Bei dieser schweren Abwägung kommen wir Antragsteller*innen zu dem Ergebnis, dass uns das Wohlbefinden der Opfer in diesem Fall wichtiger ist.

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Kinder/Jugend/Familie | Reden | Soziales | Stadtratsfraktion

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