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26.01.22 –
Hier die Rede im Video.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder des Stadtvorstands,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung,
liebe Zuschauende am Fernsehgerät und im Internet,
liebe Ratskolleg*innen der demokratischen Fraktionen,
vor einem Jahr hat die Grüne Ratsfraktion dem damaligen Haushaltsentwurf zugestimmt, der aufgrund der Corona-Pandemie unter ganz anderen Rahmenbedingungen aufgestellt werden musste als sämtliche Kommunalhaushalte zuvor. Es ging damals um einen Haushalt für ein Kalenderjahr, und es war absehbar, dass aufgrund der Zeit bis zur Genehmigung letztlich nur wenige Monate verbleiben würden, in denen der Haushalt wirksam wird. Schon im letzten Haushalt musste bei Investitionsmaßnahmen, von deren Wichtigkeit alle Ratsmitglieder überzeugt waren, zu unser aller Leidwesen eine Prioritätenliste ausgehandelt werden, was innerhalb der Mangelwirtschaft umgesetzt wird und was weiter auf die lange Bank geschoben wird. Obwohl wir damals nicht glücklich mit dem Haushalt waren, haben wir zugestimmt. „Die Grüne Fraktion stimmt zu, nicht, weil er richtungsweisend ist, sondern weil er notwendig ist“, lautete damals unsere Stellungnahme zum Haushalt.
Nun stehen wir vor dem nächsten Haushalt, dem Doppelhaushalt 2022/23.
Ja, wir haben immer noch die Corona-Pandemie, aber die Ausgangssituation war dennoch eine andere. Dank Homeoffice wurde auch in unserer Verwaltung die anfängliche überall spürbare Corona-Lähmung überwunden – das Leben geht weiter. Es fanden wieder Haushaltsberatungen statt, verteilt auf zwei Tage. Aber hat sich inhaltlich etwas geändert seit dem Haushalt 2021?
Wir als Grüne Fraktion haben uns lange mit dieser Frage beschäftigt. Wurden unsere Kritikpunkte vom letzten Jahr zumindest teilweise durch den neuen Haushaltsentwurf behoben? Gibt es Verbesserungen in den Bereichen, in denen wir zentralen Handlungsbedarf sehen? Ist der nun vorliegende Haushalt für die Jahre 2022/23 nicht einfach nur ein notwendiges Übel, sondern richtungsweisend?
Die Hoffnung in unserer letzten Haushaltsrede war die Lösung des strukturellen Problems der finanziellen Ausstattung der Kommunen in unserem Land bis zu dieser Haushaltsaufstellung. Kommunen brauchen Gestaltungsfreiheit, anstatt nur den Mangel verwalten zu dürfen, der sich durch die zu geringe finanzielle Ausstattung durch das Land ergibt. Nachdem der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz dies bereits zum zweiten Mal unmissverständlich klargemacht hat, erschien unsere Hoffnung nicht als vermessen. Allerdings ist es immer noch nicht so weit, leider. Das Land hat uns nun 200-300 Millionen Euro für Kassenkredite angekündigt. Ein Schritt, der auch hier vor Ort von vielen bejubelt wird. Aber es ist keine großzügige Geste, die das Land da uns gegenüber vollzieht. Es ist Geld, das uns zusteht, das uns trotz der Urteile des Verfassungsgerichtshofs von 2012 und 2020 seit Jahren vorenthalten wurde, und letztlich Ausdruck des schlechten Gewissens. Betrachten wir unseren Haushalt insgesamt, dann ist es ein Tröpfchen auf den heißen Stein.
Denn uns stehen nach wie vor nicht die Mittel zur Verfügung, die erforderlich wären, um unsere Substanz, unsere Gebäude, Schulen, Verkehrswege, nicht verrotten zu lassen, sondern in einem guten Zustand zu erhalten. Ja, wir investieren, es ist nicht so, dass nichts geschehen würde. Aber das, was wir investieren, ist nur ein kleiner Bruchteil der Summe, die erforderlich wäre, um die Substanzerhaltung gewährleisten zu können.
Besonders deutlich wurde dies bei Maßnahmen, die fachlich im Sozialbereich angesiedelt sind, für deren Durchführung jedoch das Baudezernat beauftragt wird: Sanierungen von Schultoiletten, Dachsanierungen von Schulen und Turnhallen, Sanierung von Außengelände von Schulen. Der Haushaltsentwurf, der uns zur Beratung vorgelegt wurde, war nicht genehmigungsfähig, sagte unser oberster Kämmerer. Wir, der Rat, sollten in den Haushaltsberatungen dafür sorgen, dass er genehmigungsfähig wird. Heißt: Wir sollten Streichungen vornehmen. Und da im Sozialdezernat viele Ausgaben verortet sind, wurde dort der Rotstift gezückt. Eine lange Liste lag vor uns Ratsmitgliedern, und die Atmosphäre glich einem Basar. Schulhof in Heiligkreuz sanieren? Toiletten am FWG? Oder doch das Dach der Grundschule Quint?
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wenn Sie sich wundern, dass hier und da in unserer Stadt eine Maßnahme nicht durchgeführt wird, die ganz augenscheinlich dringend erforderlich wäre: Die komplette Liste bestand aus Maßnahmen, die dringend erforderlich sind. Dass es dem Stadtvorstand nicht gelungen ist, uns als Rat einen Haushaltsentwurf vorzulegen, der in der Form der ADD vorgelegt werden kann, war ein Novum im Trierer Stadtrat. Ich habe es bereits in den Haushaltsberatungen gesagt: Von einem Stadtvorstand erwarte ich, dass er so lange intern berät, bis ein Entwurf eines Haushalts oder eine Vorlage steht, die der Stadtvorstand gemeinsam trägt.
Eine Handschrift im Sinne der „Klimastadt Trier“ und der „Mobilitätswende“ konnten wir dem Haushaltsentwurf nicht entnehmen. Ein Haushalt, der die ersten zarten Spuren eines Umweltdezernats zeigt, das wäre unsere Idealvorstellung gewesen. Auch wenn es kein eigenes Umweltdezernat gibt, so wurde doch die Funktion im Rahmen der Neustrukturierung der Verwaltung berücksichtigt. Nun haben wir hier einen Haushalt vorliegen, der uns die kommenden zwei Jahre begleiten wird. Aber Anzeichen dafür, dass sich nun im Bereich Umwelt etwas bewegen könnte, sind diesem Haushalt nicht zu entnehmen. Und ebenso wie bei den kaputten Dächern und Schultoiletten haben wir gerade bei der Bewältigung der Folgen der Klimakrise und der Mobilitätswende keine Zeit mehr zu verschenken.
Bekanntlich befinden wir Grüne uns im Rat in einer wenig komfortablen Situation: Wir haben zwar die meisten Stimmen bei der letzten Kommunalwahl erhalten, jedoch im Stadtrat keine Bündnis-Mehrheit, mit der man Dinge wie einen Haushalt verhandeln würde. Zugeständnisse auf der einen Seite machen, dafür Erfolge auf der anderen feiern.
Wir haben dennoch versucht anhand ein paar Beispiel-Anträgen in den Haushaltsberatungen dafür zu sorgen, dass unsere Kern-Themen nicht der Spar-Agenda geopfert werden.
Dieser Haushalt ist auch davon geprägt, dass Deckungsbeiträge der Fraktionen nebulöse Wunschvorstellungen sind, um den Vorgaben der ADD gerecht zu werden. Natürlich lassen sich viele Positionen nur schätzen. Natürlich wünschen wir uns z.B. höhere Gewerbesteuereinnahmen und setzen eine entsprechende Zahl ein. Aber auf die Abschöpfung von Gewinnen bei Beteiligungsgesellschaften in Millionenhöhe zu setzen und die städtischen Vertreter*innen in diesen Gesellschaften dazu zu zwingen. dies durchzusetzen, wird sich als Luftnummer erweisen. Gewinne, die noch nicht erwirtschaftet sind, schon im Vorfeld zu verteilen und dabei die anderen Gesellschafter gar nicht einzubeziehen, ist unseriös. Auf Dauer werden unsere Haushalte nicht glaubhafter, wenn wir mit windigen Zahlen operieren, die zwar der ADD gefallen, aber nicht immer etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben.
Die Entscheidung, wie wir uns in der Abstimmung heute zu diesem Doppelhaushalt verhalten, ist uns wie eingangs gesagt nicht leichtgefallen. Gerne würden wir als größte Fraktion das tun, was mit einer Zustimmung zu einem Thema oft verbunden wird: Verantwortung übernehmen. Aber wie können wir Verantwortung übernehmen für Inhalte, die wir für unsere Stadt als nicht zukunftsweisend wahrnehmen? „Ihr habt doch dem Haushalt zugestimmt“, ist ein typisches Argument, dass bei Abstimmungen konkreter Projekte im Rat kommt, wenn eine Fraktion einem im Haushalt stehenden Projekt nicht zustimmt. Wenn wir heute diesem Haushalt zustimmen würden, dann befänden wir uns die kommenden zwei Jahre ständig in dieser Zwickmühle. Man würde von uns erwarten, Projekten zuzustimmen, während wichtige Schritte im Bereich Klimaschutz nicht erfolgen.
Wir hoffen, dass diejenigen, die diesen Haushalt aufgestellt haben, in den Bereichen Klima, Umwelt und Mobilität mehr aus ihm herausholen, als wir in ihm lesen. Wir lassen uns da gerne positiv überraschen und werden auch jeden Nachtragshaushalt unterstützen, der diese Defizite behebt. Für heute sagen wir jedoch „Nein“, wenngleich es uns lieber gewesen wäre, aus voller Überzeugung zu den Ja-Sager*innen gehören zu können.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Dr. Anja Reinermann-Matatko
Fraktionsvorsitzende
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