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23.03.22 –
Hier die Rede im Video.
Sehr geehrter Stadtvorstand,
werte Bürger*innen,
liebe demokratischen Kolleg*innen,
vier Minuten sind wenig Zeit für die Bedeutung des hier diskutierten Themas für sehr viele Menschen in unserer Stadt und Region.
Ich möchte daher direkt zur Sache kommen und meine Ausführungen mit dem Schildern eines besonders eindrücklichen Falls aus der Studie Thomas Schnitzlers beginnen.
Der Fall des Priester Alfred S.
Dieser hatte bereits an seiner ersten Stelle als Kaplan Kinder missbraucht. Was er seinem vorgesetzten Prälaten gegenüber im Sommer 1966 sogar selbst gestanden hat. Daraufhin wurde der Fall vom Bischöflichen Offizialat untersucht. Das Bischöfliche Offizialat ist das kirchliche Gericht eines Bistums.
Der Vorsitzende Richter des Kirchengerichts hat die Untersuchungsergebnisse 23. März 1968 an Bischof Bernhard Stein schriftlich mitgeteilt. Dieses Schreiben ist persönlich an Bischof Stein gegangen und wird noch heute im Bistumsarchiv aufbewahrt.
Der Richter berichtet von den Missbrauchsfällen und dem vorliegenden Geständnis des Kaplans. Und er fordert seinen Bischof auf, den überführten Missbrauchstäter schnellstmöglich zu bestrafen.
Aber diese Forderung wird ignoriert. Gegen den Missbrauchstäter wird vom Bischof weder nach Kirchenrecht, noch nach dem Deutschem Strafrecht vorgegangen.
Im Gegenteil: Nur gut 2 Monate, nachdem Bischof Stein von dem Missbrauch Kenntnis erlangt hat, wird der Täter befördert! Er wird nun Pfarrer. Das heißt, ein Priester, dem eine eigene Pfarrei anvertraut ist – im Gegensatz beispielsweise zu einem Kaplan wie in diesem Fall.
S. obliegt fortan die gesamte Seelsorge seiner neuen Pfarrei in der Eifel. Ein klarer Aufstieg in der kirchlichen Hierarchie.
Bei der Ernennung des Missbrauchstäter erklärt Stein gegenüber S. schriftlich – nachzulesen im Bistumsarchiv –, dass er „alle notwendigen Voraussetzungen, um in dieser Pfarrei als Pfarrer segensreich wirken zu können“ habe.
An dieser neuen Stelle missbraucht Alfred S. weitere 16 Minderjährige und wird dafür sehr viel später auch verurteilt. Diese Opfer gab es nur, weil Bischof Stein entschieden hat, wie er es tat.
Das muss man erstmal wirken lassen.
Es gibt viele Fälle mehr – beispielsweise Priester Franz E., der nach einem erfolgten weltlichen Missbrauchsurteil von Stein weiter beschäftigt wurde und an der neuen Stelle des Missbrauchs von weiteren 19 Kindern und Jugendlichen überführt wurde.
Doch schon dieser eine reicht nach unserer Überzeugung aus, um zu erkennen: Einen nach Bischof Stein benannten Platz darf es nicht mehr geben!
Es hätten ihn übrigens schon 2010 nicht geben dürfen, da der damalige Bischof Ackermann – wie durch Prof. Peiffer dargelegt – nachweisbar von genanntem Fall wusste, es aber unterließ, den Stadtrat zu informieren.
Möchte man nur mit Betrachtung dieses einen Falls noch Argumente finden, die die Benennung des Platzes rechtfertigen, gibt es aus meiner Sicht nur zwei mögliche Argumentationslinien.
Die erste: Man erklärt, dass die Beweise Schnitzlers nicht zutreffen und behauptet damit, entweder, dass die zuvor genannten Schreiben aus dem Bistumsarchiv nicht existieren oder Stein sie nicht kannte.
Diese Argumentation wäre aber absurd, denn weder Kirche noch die Untersuchungskommission leugnen die vorliegenden Schreiben. Die Authentizität kann jederzeit im Archiv des Bistums geprüft werden! Und es ist undenkbar, dass bspw. ein Schreiben des Offizials an seinen Bischof diesem nicht vorgelegt wird.
Und die Zweite: Man geht davon aus, dass Stein über die Vorwürfe wusste, sich aber aus moralischen oder sonstigen ehrenwerten Gründen dazu entschied, dem Priester eine „zweite Chance“ zu geben.
In diese Richtung hat hat Prof. Robbers, von der kirchlichen Aufarbeitungskommission, während der Anhörung argumentiert und die Aufgabe seiner Kommission damit erklärt: Man müsse erst beurteilen und bewerten, inwieweit Stein bewusst gehandelt oder auf Grund eines bestimmten Menschenbildes und einer Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern entschieden hat. Er suggerierte u. a. , Stein könnte – in der falschen Hoffnung auf Heilung oder Resozialisierung – entschieden haben, solche Priester auf neue Pfarrstellen zu versetzen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich werden: Viele hier im Raum wissen es: Ich selbst wurde als Kind bis zu meinem siebten Lebensjahr missbraucht. Als Opfer fühlen sich solche Aussagen wie ein ganz schwerer Schlag in die Magengrube an.
Nein: Pädophile erneut mit Kindern in einen permanenten Kontakt zu bringen und sie – im Falle eines Gemeindepfarrers – dem Pädophilen sogar anzuvertrauen, ist ein unverzeihlicher Fehler – auch gegenüber dem Täter übrigens.
Denn Pädophilie ist nicht heilbar. Man kann nur lernen, damit umzugehen und versuchen sich möglichst weit von der (um es mal kirchlich auszudrücken) „Versuchung“ fernzuhalten. Eine*n trockene*n Alkoholiker*in würde niemand in einem Schnapsladen anstellen.
Für Bischof Stein hätte es zumindest Möglichkeiten gegeben, seine Priester weiter zu beschäftigen, ohne sie in direkten Kontakt mit Kindern zu bringen. Doch mit seiner Entscheidung hat er sich mitschuldig gemacht!
Sie sehen: Die Entscheidungen, die Stein getroffen hat, haben zu neuen Opfer geführt. Welche Gründe es dafür gab und wie die kirchliche Kommission diese am Ende beurteilt, ist unerheblich.
Die einzig relevante Frage für jede*n von uns ist: Bin ich der Auffassung, dass Bischof Stein sich in seiner Amtszeit so vorbildlich und fehlerfrei verhalten, dass es einen nach ihm benannten Platz geben sollte?
Ich appelliere an Sie, liebe Kolleg*innen, diese Frage individuell und nicht anhand von Fraktionslinien für sich zu beantworten.
Danke!
Johannes Wiegel
Sprecher für Soziales und Gesundheit
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