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26.03.15 –
PolitikerInnen aus Stadt und Land, Ehrenamtliche aus der Flüchtlingsarbeit, Anbieter von Sprachkursen und schließlich: Flüchtlinge selbst - unsere Diskussionsrunde "Willkommen... in der Wirklichkeit" brachte an einem Abend VertreterInnen derjenigen Ebenen zusammen, die auch in der täglichen Arbeit zusammenarbeiten (sollten). Zum Austausch- und Netzwerkgedanken passte auch der Umstand, dass die Veranstaltung von Grünen in Trier und Trier-Saarburg gemeinsam organisiert worden war - so wie schon die Aktion gegen die Maut- und Autobahnpläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt vor zwei Wochen. Die gemeinsamen Aktivitäten sollen Auftakt sein zu einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen den beiden Kreisverbänden.
Am Nachmittag hatte sich Fred Konrad, Grüner Landtagsabgeordneter und Sprecher des Ausschusses für Integration, gemeinsam mit Grünen aus dem Kreis Trier-Saarburg auf einem Rundgang durch Konz ein Bild von der Lage der Flüchtlinge vor Ort gemacht. Sascha Gottschalk, Sprecher der Grünen Trier-Saarburg, hatte den Gast dabei auch zu leer stehenden Wohnungen geführt, in denen Flüchtlinge untergebracht werden könnten, anstatt sie in Containern am Stadtrand unterzubringen, wie das die Stadt Konz derzeit plant.
"Diese Art der Unterbringung wird vom Land nicht befürwortet", stellte Fred Konrad klar und sagte, dass 90 Prozent der Flüchtlinge dezentral wohnten. Einer von ihnen ist Mohamad Bassam Bouni, der mit seiner Familie in einer Wohnung in Konz lebt. Er sprach über die Flucht aus Syrien, seinen Weg nach Deutschland und seine aktuelle Situation. Von all den heftigen Erlebnissen vor und während seiner Flucht ist ihm die erste Begegnung mit Europa als besonders schlimm im Gedächtnis geblieben: "Nahe der Küste von Italien wurden wir von einem NATO-Schiff aufgegriffen, sie haben uns behandelt wie Kriminelle."
Einen ganz anderen Eindruck hat dagegen die Ankunft in der Region bei ihm hervorgerufen. Alle Menschen, die ihm begegneten, seien sehr herzlich und hilfsbereit. Dennoch falle es vielen Flüchtlingen nicht leicht, sich einzuleben: Vor allem Sprachprobleme, die Unsicherheit, wie es weitergehe, und eine gefühlte Hilflosigkeit seien für viele schwer auszuhalten. "Es wäre besser, wir könnten von Anfang an Deutsch lernen und arbeiten", wünschte sich der Syrer. Ein großes Problem sei auch, Wohnungen zu finden. Das führe dazu, dass viele - kaum hätten sie sich eingelebt - wieder aus ihrer Umgebung gerissen würden, weil sie an einem anderen Ort unterkommen müssen.
Um den Flüchtlingen die Integration zu erleichtern, hat das Land einen ganzen Maßnahmenkatalog erstellt. Fred Konrad stellte unter anderen Kommunalkredite, die Unterstützung ehrenamtlichen Engagements und den Ausbau der Sprachförderung in Aussicht. Das Land wolle außerdem einen Antrag auf Bundesebene einbringen, um Flüchtlingen in Ausbildung zu ermöglichen, diese auch hier abzuschließen und danach noch hierbleiben zu können, um eine Anstellung zu suchen. Ziel sei letztlich eine geregelte Einwanderung, so Fred Konrad.
Mit der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende (AfA) war Trier bisher für die meisten Flüchtlinge nur Durchgangsstation. Mit der Einrichtung habe die Stadt nichts zu tun und daher bisher im Umgang mit Flüchtlingen kaum eine Rolle gespielt, meinte Angelika Birk. Mit der neuen Regelung, dass die Stadt nun auch dauerhaft Flüchtlinge unterbringen soll, sei Trier endlich in der Lage, diese Menschen auch als Bürgerinnen und Bürger der Stadt aufnehmen zu können.
Bisher ist das Jugendamt der Stadt Trier im Auftrag des Landes landesweit tätig, wenn es um den Empfang der unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlinge geht, die in der Region Trier bei zwei freien Trägern bis zu drei Monate aufgenommen werden, um die nächsten Schritte zu klären. Dies ist im letzten Jahr für 350 unter 18-jährige, meist männliche Jugendliche geglückt. Da in Zukunft noch mehr Jugendliche kommen, werden weitere Jugendämter im Land diesem Beispiel folgen.
Das größte Problem bei der Unterbringung der zu erwartenden mehreren Hundert Flüchtlinge im Jahr sei die Suche nach vernünftigem, dezentralem Wohnraum, welcher die unterschiedlichen Bedürfnisse der Zufluchtsuchenden berücksichtige. Sobald die Stadtverwaltung Standorte näher ins Auge fasse, geht die Dezernentin auf die Ortsbeiräte und örtlichen sozial Aktiven zu. Solange dies nicht der Fall ist, sollten öffentliche Spekulationen über Standorte vermieden werden. Übrigens: Ein öffentlicher Aufruf der Stadt, dezentral überall in Trier Wohnungen für Flüchtlinge zu finden, hat schon am nächsten Tag zu einem ersten Mietvertrag geführt.
Neben Wohnraum seien niedrigschwellige Angebote für die Flüchtlinge von immenser Bedeutung, so Angelika Birk: Deutschkurse an der Volkshochschule, ein computergestützter Lerntreff in der Stadtbibliothek - diese und andere Angebote des Bildungs- und Sozialdezernats sollen in den Stadtteilen ausgebaut werden, ebenso wie der auf Initiative der Stadt vom Land eingerichtete schulische Intensiv-Deutschunterricht für Kinder. Sportvereine haben schon jetzt auf Spendenbasis an zwei Vormittagen in der Woche ein Bewegungsangebot für Flüchtlingskinder in der Arena aufgebaut und freie Träger der Jugendhilfe beginnen mit dem systematischen Aufbau ähnlicher Angebote.
Die AfA mit ihren Standorten Dasbachstraße und Luxemburgerstraße arbeitet schon lange mit einem Runden Tisch, außerdem gibt es seit Jahren auch ein bewusst institutionenunabhängiges ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement für Flüchtlinge. Nun will die Bürgermeisterin ganz bald einen stadtweiten Runden Tisch in Abstimmung mit den schon existierenden Netzwerken einberufen. Zu seiner organisatorischen Unterstützung hat der Stadtrat im Februar die Einrichtung einer auf zwei Jahre befristeten Stelle beschlossen.
Neben dem Austausch über inhaltliche Fragen bot der Abend ausreichend Gelegenheit, persönliche Kontakte zu knüpfen und sich zwischen Ehrenamtlichen, PolitikerInnen und Betroffenen auszutauschen. Dabei kamen insbesondere ehrenamtlich Tätige aus verschiedenen Vereinen zu Wort und beeindruckten mit umfangreichem Wissen und großem Erfahrungsschatz - und jeder Menge Fragen, Informationen und Anregungen, welche die PolitikerInnen aus Stadt und Land notierten und für ihre Arbeit mitnehmen konnten.
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