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26.01.24 –
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Ratskolleg*innen der demokratischen Ratsfraktionen,
sehr geehrte Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung,
sehr geehrte Bürger*innen am Offenen Kanal und hier im Saal,
der Haushalt ist das Kernelement des Verwaltungshandelns eines ganzen Jahres. Was im Haushalt steht, das kann gemacht werden. Was nicht im Haushalt steht, in den meisten Fällen nicht. Der Haushalt ist ein großes Zahlenwerk, für die meisten Bürger*innen, aber auch für uns hier im Rat, an vielen Stellen nur schwer verständlich. Seit vielen Jahren schon arbeiten wir daran, die Transparenz des Haushalts zu erhöhen. Aber am Verfahren tut sich wenig. Es ist nach wie vor ein dicker Stapel Papier – inzwischen als PDF. Genau herauszulesen, was in welcher Höhe berücksichtigt ist, ist eine Fleißaufgabe, die wir bei einzelnen Positionen im Vorfeld des Haushaltsbeschlusses mit Mitarbeiter*innen der Verwaltung bewältigen. Da wandern dann Emails mit PSP-Elementen, Rückstellungen, Belegen der Finanzwirtschaft hin und her. Fühlt sich an wie ein Escape-Room, den man erst verlassen kann, wenn alle Hinweise auf den Ausgang gefunden sind: ein großes Rätsel. Danke an diejenigen in der Verwaltung, die diesmal für uns den Weg aus dem Escape-Room gefunden haben.
Der Haushaltsentwurf wird vom Oberbürgermeister eingebracht. Voran gehen viele Stunden Arbeit in allen Ämtern, denn die Ämter melden an, welche Bedarfe bestehen. Vielen Dank an dieser Stelle allen Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, die in diese Haushaltsaufstellung involviert waren.
Wünschenswert wäre, wenn die Anmeldungen der Ämter übernommen werden könnten, denn dort ist schließlich das Detail-Fachwissen vorhanden. Und wenn dann darüber hinaus der Stadtrat noch Ergänzungen vornehmen könnte, und die Dinge einstellen, die dann im kommenden Jahr beantragt werden. Oder Streichungen vornehmen, wenn die Verwaltung Dinge wichtig findet, die der Rat so nicht als Schwerpunkt setzen würde.
Aber: nicht jeder Wunsch wird wahr. Stattdessen machte sich schnell Ernüchterung breit.
Denn das Haushaltsverfahren zum Haushalt 2024 begann damit, dass uns zwei Dinge mitgeteilt wurden:
Erstens: die schwarze Null. Der Haushalt muss ausgeglichen sein, damit die ADD ihn genehmigt. Dies war die Bedingung, die durch die Teilschuldenübernahme durch das Land von Seiten des Landes an die Kommunen gestellt wurde. Die Teilschuldenübernahme begrüßen wir. Dass uns durch die schwarze Null jedoch auch im Klimaschutz nur kleine Schritte möglich sind, da die Maßnahmen sich langfristig zwar rechnen, aber auf kurze Sicht eben auch erst einmal mehr Personal erforderlich wäre, das begrüßen wir nicht.
Zweitens: die Höhe des Defizits nach der ersten Zusammenfügung der Anmeldungen der Ämter lag es bei rund 60 Millionen Minus.
In der Kombination dieser beiden Ausgangsvoraussetzungen war schnell klar, dass dieser Haushalt am Ende nicht in Haushaltsberatungen münden würde, in dem die Fraktionen darum ringen, welche politisch gewünschten Maßnahmen in den Haushalt Eingang finden. Dementsprechend war auch die diesjährige Sitzung der Haushaltsberatung schon nach 65 Minuten beendet. Zum Vergleich: früher dauerten Haushaltsberatungen 2 Tage. Das war sicher auch nicht immer so ganz sinnvoll verbrachte Zeit, aber es wurde um politische Schwerpunktsetzungen gerungen. Diese Termine wurden von den Fraktionen mit hohem Zeitaufwand vorbereitet, da man die eigenen Haushaltsanträge formulieren musste, und zudem die Anträge der anderen Fraktionen bearbeiten. Die Haushaltsberatungen waren jeweils Ausdruck der Gestaltungsfreiheit des Rates. Das Damoklesschwert der Nichtgenehmigung des Haushalts schwebte dieses Jahr so bedrohlich über uns, dass keine Fraktion einen Haushaltsantrag eingebracht hat. Denn weitere Kürzungen hätte niemand von uns verantworten können. Und eine Ausweitung der Ausgaben hätte, so wurde uns mehrfach mitgeteilt, den Haushalt nicht genehmigungsfähig gemacht.
Das eigentliche Herzstück der Ratsarbeit, es war schwer krank in diesem Jahr. Der Haushalt liegt nun vor, beschlussbereit und genehmigungsfähig. Aber er wirkt wie ein Patient, der nur mit vielen Bypässen in Not-OPs noch am Leben gehalten werden konnte.
Was sind sie, die Bypässe, die lebensrettend sind, und diesem Haushalt unsere Zustimmung sichern?
Wir gehen im heute zu beschließenden Haushalt nun optimistisch davon aus, dass unsere Einnahmen möglichst hoch, unsere Ausgaben jedoch möglichst gering sind. Positiv bei der Annahme der Einnahmen: es wurden in diesem Haushalt keine Steuersätze erhöht.
Parallel zur Haushaltsaufstellung läuft das Verfahren zum Bürgerhaushalt. Ein Teil der Maßnahmen, die im Bürgerhaushalt genannt wurden, sind mit Einzelmaßnahmen im Haushalt enthalten. Aber es gibt keine Position, die nun direkt auf den Bürgerhaushalt zurück geht. Dass die autofreie Innenstadt von den Bürger*innen im Bürgerhaushalt als wichtigste Maßnahme herausgearbeitet wurde, freut uns Grüne sehr. Noch schöner wäre dementsprechend eine Haushaltsposition „Maßnahmen zur Erreichung der autofreien Innenstadt“. Die gibt es in der Form nicht. Allerdings hat der Stadtvorstand uns zugesichert, dass die Bürgerhaushalts-Maßnahmen in den Fachdezernats-Ausschüssen diskutiert werden. Dann besteht die Möglichkeit, noch Maßnahmen in den Nachtragshaushalt 2024 oder in den Haushaltsentwurf 2025 aufzunehmen. Denn im Sommer geht es ja schon wieder weiter mit der nächsten Aufstellung eines Haushaltsentwurfs.
Der aus unserer Sicht größte Erfolg dieses Haushalts ist der Bereich Bauunterhalt. Bereits im Frühjahr 2023 haben wir zu dem Thema eine Initiative im Hinblick auf den Haushalt 2024 gestartet. Wir Grüne haben, gemeinsam mit den Partner*innen der Ampel, deutlich gemacht, dass wir von der Verwaltung im Haushaltsentwurf einen höheren Ansatz erwarten als in den Vorjahren. Denn der bisherige Bauunterhalt reicht nicht aus, um einen Werteverlust unserer städtischer Gebäude, und insbesondere unserer Schulen, zu vermeiden. Hierfür sind die Mittel und Personaleinsatz zu erhöhen. Nun stehen für 2024 insgesamt 8 Millionen Euro im Haushalt für Bauunterhalt zur Verfügung, anstatt der in den letzten Jahren eingestellten gut 5 Millionen Euro. Dies wäre endlich die erhoffte Steigerung. Wir erwarten, dass diese Mittel dann auch wie geplant verausgabt werden; ein Verschieben auf 2025 würde das Problem des zu geringen Bauunterhalts nicht lösen. Und wir erwarten, dass auch im Haushalt 2025 dann weiterhin höhere Mittel und Personalressourcen eingestellt werden, denn Bauunterhalt ist eine laufende Aufgabe und ein Rückfall auf das alte Niveau würde unsere Gebäudesubstanz weiter zerstören.
Ein Bereich bräuchte ebenfalls dringend noch einen Bypass: unsere Bäume. Dass die Untere Naturschutzbehörde schon seit vielen Jahren personell zu knapp ausgestattet ist, ist hinlänglich bekannt. Nun wurde über Jahre hinweg eine Baumschutzsatzung erarbeitet, und wo klemmt es? An der Vorgabe, keine neuen Stellen in den Haushalt aufnehmen zu können. Aber wir setzen hier auf die kreativen Fähigkeiten unseres Kämmerers und darauf, dass über andere Instrumente noch Lösungen gefunden werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Grüne Fraktion stimmt dem Haushalt zu, wegen der kleinen positiven Lichtblicke, der kleinen Akzente, die wir trotz der schwierigen Ausgangssituation noch setzen konnten. Wir sehen allerdings auch, dass nicht jeder Haushalt der kommenden Jahre über Bypässe gerettet werden kann. Wir brauchen strukturelle Änderungen. Dazu gehören:
Erstens: Die Übernahme der noch verbliebenen Altschulden durch den Bund, um den Schuldendienst nicht als Dauerbelastung in unserem kommunalen Haushalt herumschleppen zu müssen
Zweitens: Eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der Kommunen, die die jeweiligen Spezifika vor Ort berücksichtigt; bei uns gibt es nunmal kein e-LKW-Produktionswerk, kein Biontech. Wir können daran arbeiten, dass sich solche Unternehmen auch bei uns ansiedeln, aber das liegt nicht nur an uns. Zu uns fährt ja nach wie vor noch nicht einmal ein Fernverkehrszug. Auch hier sind wir auf das Entgegenkommen anderer Instanzen angewiesen.
Drittens: für die laufende Aufgabe des Bauunterhalts, insbesondere des Schulbauunterhalts, finanzielle Unterstützung durch das Land. Es reicht nicht aus, nur Neubauten und Umbaumaßnahmen zu fördern. Unsere Kinder lernen in Gebäuden, die keine optimalen Voraussetzungen bieten. Wenn wir in Zukunft Unternehmen vor Ort haben wollen, die mit hochqualifizierten Arbeitskräften innovative Produkte entwickeln, dann müssen wir auch im Bildungsbereich vor Ort die entsprechenden Grundlagen schaffen.
Wenn wir es als Kommunen nicht schaffen, die Rahmenbedingungen der Haushaltsaufstellung zu verändern, dann wird die Entscheidungsfähigkeit von Gemeinde- und Stadträten zunehmend eingeschränkt. Wie sollen wir dann als Kommunalpolitik gegenüber den Bürger*innen noch glaubwürdig auftreten? Welche Möglichkeiten haben wir denn noch, uns unterschiedlich zu positionieren, unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen – und damit den Bürger*innen auch eine echte Wahl zu ermöglichen? Haushaltsaufstellungen wie diese, die dem Rat weitgehend jegliche Entscheidungsfreiheit nehmen, schwächen auf Dauer das Ansehen und die Glaubwürdigkeit des Rates.
Vielen Dank.
Dr. Anja Reinermann-Matatko
Fraktionsvorsitzende
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